Von manchen Pflegenden wird die Hauskrankenpflege meist eher belächelt – von wegen das wäre Pflege mit wenig Anspruch, wo man nicht so viel wissen und können muss. Aber stimmt das wirklich?
Nach 12 Jahren im Spitalsbetrieb bin ich vor ca einem Jahr in die Hauskrankenpflege gewechselt. Warum? Weil ich es mir gemütlich machen wollte? Jein. Ich kannte die HKP ja schon ein wenig aus meinen Praktika während der Ausbildung – und hatte schon überlegt, dort auch zu bleiben. Es war für meine Begriffe doch recht gemütlich. Das Problem war damals, dass die Organisation keine Frischdiplomierten genommen hat – sie meinten, ohne gründliche Erfahrung kann man nicht in die HKP. Damals hab ich das nicht verstanden – heute schon! Recht haben sie gehabt!
Du bist allein
Der gravierendste Unterschied ist, dass man ganz allein ist. Man kann niemanden schnell rufen, wenn man Hilfe beim Lagern braucht, man kann nicht mal eben schnell den Arzt rufen wenn man Fragen zur Medikation hat oder der Patient Beschwerden hat. Man trifft sämtliche Entscheidungen allein und nach bestem Wissen und Gewissen. Und genau da braucht man oft jede Menge an Erfahrung. Man hat gefühlt hundert Mal mehr Verantwortung als auf einer Station. Du bist diplomiert, du musst entscheiden – auch manchmal für andere. Und du trägst dann auch ganz allein die Verantwortung dafür. Wenn dich eine PA anruft und eine Frage hat entscheidest du als Diplomierte.
Kreativität ist gefragt!
Die zweite Herausforderung neben dem Allein-Arbeiten ist Kreativität. Während man im Spital meist alles was man braucht am Präsentierteller hat und leider auch oft unreflektiert verwendet/verschwendet, hat man zu Hause bei den Patienten oft nichts. Gerade wenn man neue Patienten bekommen hat muss man erst die wichtigsten Dinge besorgen (lassen). Man arbeitet mit dem, was man gerade zur Hand hat. Mit der Zeit legt man sich aber eine eigene „Notfallausrüstung“ an, die man immer mit hat und sich im Bedarf helfen kann.
Bei mir ist da professionelles Verbandmaterial, Flächendesinfektion, Hautschutzsalbe, Nagelpflegeset und Einmalwaschlappen dabei.
Mit der Zeit lernt man sehr gut, mit den vorhandenen Ressourcen nicht nur sparsam sondern auch oft kreativ umzugehen.
Auch in der Hauskrankenpflege gilt: es kommt auf die Rahmenbedingungen an
In der HKP gibt es doch auch gewaltige Unterschiede – und zwar bei den Organisationen. Prinzipiell ist die Logistik hinter der HKP durchaus eine Herausforderung: Einerseits sollten die Touren gut fahrbar sein und die Wegzeit von 15min nicht überschreiten; andererseits muss man auch da Termine der Patienten sowie Prioritäten (z.B. Diabetiker) beachten. Das alles unter einen Hut zu bringen ist nicht immer einfach. Aber man kann es trotzdem unbürokratisch und für die Mitarbeiter angenehm machen. Oder eben das Gegenteil: stressig und ohne Mitspracherecht. Wenn man dauernd auf die Uhr schauen muss und über jede Minute Rechenschaft ablegen muss wird man schnell nervös. Das und andere Dinge haben mich recht bald dazu gebracht, die Organisation zu wechseln – nach nur fünf Monaten. Und wie man sieht: es geht auch anders.
Jetzt bin ich bei einer Organisation, die nicht nur ihre Kunden schätzt sondern genauso jeden einzelnen Mitarbeiter. Die Rahmenbedingungen sind angenehm, der Umgang wertschätzend und auch der Gehalt besser. Und – so komisch das klingen mag – auch die Patienten sind wesentlich netter und entspannter. Während ich vorher schon eine (private) Liste hatte wo ich nicht hinwill oder Patienten hatte, wo ich froh war wenn ich wieder bei der Tür draussen war, gibt es jetzt keinen Einzigen, wo ich nicht wirklich gerne hinfahre. Warum auch immer – es ist so.
Nach nun fast einem Jahr kann ich sagen: die HKP ist lange nicht so easy wie sich das manche vorstellen. Und auch kein Spaziergang: man braucht dazu schon eine ganz gute Kondition. Aber man hat (wenn man das schätzt) mehr Verantwortung und kann sein Wissen und seine Erfahrungen mehr und individueller einsetzen. Und das Verhältnis zu den Ärzten ist das genaue Gegenteil von dem im KH.
Gemütlich? Ja, durchaus. Aber in einem ganz anderem Sinn: ich habe lange nicht den Druck, den Stress, den ich im KH hatte. Ich habe zwischen Morgen- und Abenddienst genug Zeit zum Entspannen, Einkaufen, Haushalt, whatever. Und ich habe keine Nachtdienste. Und das Wichtigste: ich kann mich voll und ganz jeweils auf einen Patienten konzentrieren und ihm die Zeit geben, die er braucht.
Danke für die Beschreibung ihrer Erfahrung bei der Hauskrankenpflege! Ich kann mir vorstellen, dass die Hauspflege mit besonderen Anstrengungen verbunden ist. Ich bin aber auch froh, dass viel man sich an vieles freuen kann.